Beobachtungsbericht vom 12.9.2002

Sudelfeld bei Bayrischzell, 12. 09. 2002

20020912bko21.html

Beobachter:Bernhard Kohmanns
 
e-Mail:kohmanns.bernhard@siemens.com
 
Datum:12. 09. 2002
 
Zeit:21.10 bis 01.52 MESZ
 
Ort:Sudelfeld bei Bayrischzell
Geogr. Länge:12°01'58" Ost
Geogr. Breite:47°41'51" Nord
Seehöhe:1.454
System:

 
Instrument:105/610mm Apo Traveler
 
Bedingungen:

Durchsicht:1 Freis. vis. Grenzgröße:6.0
Aufhellung:2 Seeing:keine Angabe
Wind:maessig aus keine Angabe  
Temperatur:7° - 0° °C Luftfeuchtigkeit:
Sonstige Bemerkungen:Temperatur:7°, fallend auf 0°C, böiger Wind aus Nordnordost, trockene Luft, sehr gute Transparenz Grenzgröße 6 mag; Seeing gegen Null


 
Bericht:

Beobachtungsbericht vom 12.9.2002 Beginn: 21:10 Uhr Ende: 1:52 Uhr Ort: Sudelfeld bei Bayrischzell; Höhe ca. 1.454 m.ü.d.M.; 12°01'58" Ost, 47°41'51" Nord. Temperatur:7°, fallend auf 0°C, böiger Wind aus Nordnordost, trockene Luft, sehr gute Transparenz Grenzgröße 6 mag; Seeing Null! Fernrohr: 105/610mm Apo Okulare: 31mm Nagler, 9mm Nagler, 7mm Pentax Ortho, 5mm, 4mm und 2,8mm Takahashi Orthos, 3,5mm Vixen LWV

Schon am späten Nachmittag versprach der Himmel eine wunderbar transparente Nacht. Der leichte Nordostwind hatte jedweden Dunst und Wolken der vorherigen Tage vertrieben und die Luft kühlte recht schnell ab. Der Mond war gerade fünf Tage alt und sollte um 22.30 untergehen. Jeder Astronom weiß nun: das sind DIE Nächte, die man sich nicht entgehen lassen darf! Um sieben Uhr begann daher eine "wilde" Rundum-Telefoniererei, wer wohin fahren wollte. Stathis war bereits weg: auf dem Weg ins Zillertal! Die meisten anderen entschieden sich für unseren Standardplatz, den Taubenberg im Tegernseer Tal, der immerhin knapp 900m hoch gelegen ist; dafür aber auch in einer guten halben Stunde zu erreichen. Auch Alfredo, mein Beobachtungspartner, entschied sich nach einigem Hin und Her dafür; ich zauderte noch während der Fahrt. Einerseits hätte ich schon gern die anderen Spechtler getroffen. Und auch angesichts meines mir inzwischen etwas dürftig erscheinenden Beobachtungs-Gewandes befürchtete ich, mich durch die vorher herrschenden 25°C zu sehr habe blenden lassen und trotz Stiefeln, Mütze und Lederhandschuhen in der nächtlichen Bergluft frieren zu müssen (was sich später leider auch als wahr herausstellen sollte). Dennoch entschloß ich mich an der Abzweigung weiter zu fahren bis zum Sudelfeld. Mir war die Nacht einfach zu vielversprechend und gern nahm ich für rund 550 zusätzliche Höhenmeter die doppelte Fahrzeit -und dafür entsprechend weniger Beobachtungszeit- in Kauf. Wann, wenn nicht jetzt im Herbst, wo die Nächte schon länger und auch viel klarer sind als im ewig-dämmrigen und tropisch-dampfigen Hochsommer, wo andrerseits aber auch noch kein metertiefer Schnee liegt wie im Winter und Frühjahr, wo man selbst mit Schneeketten nicht mehr durch kommt, wann also sonst könnte man sich dieses "Höhenlüfterl" besser zunutze machen? Der Weg zum Beobachtungsplatz ist teilweise sehr eng und steil und rechts und links fallen die Bergwände auch hübsch steil ab; Fahrfehler sollte man sich also besser nicht leisten ;-) Zu allem Überfluß hatten sich auch noch ein paar verschlafene Kühe wiederkäuend mitten auf der Fahrbahn breit gemacht und einige von ihnen schienen fast einen sanften Druck mit der Stoßstange herauszufordern, ehe sie sich im letzten Moment gemächlich verzupften... Endlich oben angelangt, mußte man Acht geben, nicht gleich in einer Kuhfladen auszurutschen; der Platz dort wird eben auch noch anderweitig genutzt. Meine Befürchtung, diese lieben Viecherln würden sich auch näher für mein Teleskop interessieren, erwiesen sich Gottseidank als unbegründet; wenngleich mich das Kuhglockenläuten die ganze Nacht hindurch begleiten sollte. Der Mond war noch rund 20° über dem Horizont; als ich mit dem Aufbau begann. Die Milchstraße war dennoch schon hell und deutlich strukturiert auszunehmen; ja, sie erinnerte sogar stark an Namibia! Und die Masse an Sternen ließ die gewohnten Sternbilder regelrecht ertrinken. Transparenz also ausgezeichnet, dachte ich mir, aber wie würde es wohl mit dem Seeing bestellt sein? Der erste Blick durch ein hochvergrößerndes Okular ließ mich staunen: es gab fast kein Seeing in dieser Nacht! Sehr selten, bei dieser guten Transparenz! Nach hinreichend exaktem Einnorden nahm ich mir zuerst einige Objekte im Westen vor. So M13, den ich bis 217-fach mit dem 2,8mm Ortho in ein funkelndes Diamantenkastl verwandeln konnte. Sicherlich wesentlich dunkler als mit lichtstarken Öffnungen, aber noch nie konnte ich ihn bis dato bis in die Nähe des Zentrums hinein auflösen. Es scheiterte stets an der Transparenz... Dem Ringnebel M57 ein Stück weiter östlich gönnte ich eine Vergrößerung von 152-fach mit dem 4mm Ortho. Trifid- und Lagunennebel hingen zu diesem Zeitpunkt doch schon sehr im horizontnahen Dunst; es lohnte sich nicht, sie höher als 67-fach mit dem 9er Nagler zu vergrößern. Überhaupt die Nagler: diese zu testen, war mein Hauptziel an diesem Abend; und sie haben beide den Test glänzend bestanden! Das 31er ist ein hervorragendes Widefield-Okular, mit dem ich gut beide Teile des Cirrus-Nebels locker ins Gesichtsfeld bekam. Ja sogar der wesentlich lichtschwächere Mittelteil des Cirrus, Pickerings Dreiecksnebel, war mit dem UHC-Filter bis in feine Strukturen hinein zu erkennen. Einfach ein Traumbild! Und überdies werden sämtliche Sterne drumherum bis an den Rand punktförmig abgebildet; kein einziger wird durch Koma zu diesen berüchtigten fledermausartigen Gebilden verzerrt. Ist man eh gerade im Schwan, darf man natürlich auch Nordamerika- und Pelikannebel nicht versäumen. Mit UHC und 9mm Nagler hebt sich ersterer besonders um den Golf von Mexiko herum deutlich vom Hintergrund ab; während "Kanada" fließend in die Milchstraßenwolken übergeht. Doch bevor er endgültig untergehen sollte, wollte ich noch den Schützen abgrasen. Der Omeganebel M17 zeigte mit dem 5er Ortho bei 122-fach und UHC-Filter viel Struktur; besonders beeindruckend auch seine Dunkelwolken. Gleich danben stieß ich noch auf M18, einen etwas sternarmen offenen Sternhaufen. Auch den Adlernebel M16 ließ ich mir nicht entgehen. Ohne UHC lag der Blickfang auf dem darin enthaltenen offenen Sternhaufen; mit dem Filter hingegen kam der Nebel sehr gut heraus. Auch hier erwies sich 122-fach als optimale Vergrößerung. Nun schwenkte ich das Scope Richtung Zenit; zuerst auf den Hantelnebel M27 im Füchschen. Auch hier ist wieder der UHC gefragt; damit ist seine Struktur klar besser auszunehmen als ohne. Die beste Vergrößerung war 67-fach mit dem 9er Nagler. Mittlerweile frischte der Nordwind doch sehr böig auf; trotz Schal bekam ich langsam ein steifes Genick. Auch die Stiefel erwiesen sich als zu dünn und langsam aber sicher bekam ich Eisfüße. Auch durch die Mütze pfiff der kalte Wind lustig durch. Ab September ist also im Gebirge schon der winddichte Polaranzug gefragt, will man seine Spechtelei nicht der Kälte wegen vorzeitig abbrechen müssen. Diese Nacht war also auch in klimatischer Sicht äußerst lehrreich. Zu allem Überfluß war mir auch noch zuhaus der Tee ausgegangen; und so mußte ich meine Energien mit kaltem Cola und Schokokeksen auffrischen -was aber natürlich nicht ausreichte, mir die Kälte aus den Knochen zu treiben. Weiter wanderte ich Richtung Osten: der Califonia-Nebel im Perseus, der mittlerweile schon hübsch weit oben stand, sollte es als nächstes sein. Aber so sehr ich auch suchte: trotz UHC-Filter und niedrigster Vergrößerung (20-fach) im Widefield-Okular und eifriger, angestrengter Suche war er nicht auffindbar. Vielleicht lag es an der Kälte, vielleicht reichte aber auch noch meine Spechtl-Erfahrung nicht aus. Nach diesem Frust sollten es dafür wieder ein paar Genuß-Objekte sein: zuerst H und Chi Persei, der herrliche Doppelhaufen, der auch im 31er, eingebettet in ein Meer von Sternen, seine ganze Pracht entfaltete. Sodann schwenkte ich auf die Plejaden: auch sie waren eine Pracht im 31er; sogar die Reflexionsnebel traten deutlich und fein strukturiert hervor. Danach der Adromeda-Nebel, der brav in Richtung Kulmination strebte. Im 31er Nagler kommt die riesige Ausdehnung dieses Objekts wunderbar zur Geltung: rund 80+es Gesichtsfeld-Durchmessers werden von unserer Nachbar-Galaxie überstrichen; und das bei 4,17° Gesichtsfeld! Seine beiden Begleit-Galaxien M32 und M110 kommen dagegen deutlich besser im 9mm heraus, während M31 darin schon gar nicht mehr ganz hinein paßt. NGC 891 in der Andromeda war mein nächstes Ziel. Ob das Staubband wohl zu erkennen wäre mit 4 Zoll? Nun, höher als 67-fach hab ich sie nicht vergrößert; deutlich war jedoch die Kantenlage im 9er Nagler auszunehmen. Beim Blättern im Karkoschka fiel mir der Blinkende Planetarische Nebel im Schwan auf; ein für mich neues Objekt, für welches ich gern noch einmal in dieses Sternbild, das zu diesem Zeitpunkt den Meridian schon durchschritten hatte, zurück schwenkte. Hierfür kam das 3,5er Vixen LWV zum Einsatz; allerdings war bei 174-fach schon die Grenze der Ästhetik erreicht. Es zeigte sich ein bläuliches leicht verschwommenes, kaum strukturiertes Scheibchen. Nach dem etwas anstrengenden Schauen in gebeugter Haltung durch verschiedenste Okulare gönne ich meinen Augen -und auch meinem Kreuz- stets etwas Entspannung und meinem Hirn ein bissl Lernarbeit, indem ich mir einige Sternbilder freisichtig einzuprägen versuche. Gerade die Schwächeren unter ihnen, die man auf dem allabendlichen Heimweg unter lichtverschmutztem Himmel niemals oder nur sehr schwer zu Gesicht bekommt, haben es mir angetan. So waren es dieses Mal die Fische und der Walfisch, die mittlerweile schon weit über dem südöstlichen Horizont standen. Ein ständiger Abgleich mit dem Karkoschka hilft, sich zurecht zu finden und sich die Lage und den Verlauf ihrer mit bloßem Auge sichtbaren Sterne einzuprägen. Hat man sich dadurch nun wieder etwas Entspannung verschafft, möchte man sich natürlich auch an einigen Objekten dieser nicht gerade mit Highlights gesegneten Sternbilder delektieren. So wollte ich mir nun das sehr lichschwache Messier-Objekt M74, eine Galaxie in den Fischen, vornehmen. Mit dem Telrad Eta Piscis eingestellt, noch ein kleiner Schwenk nach links, und schon war das schwache Nebelfleckerl deutlich zu erkennen. Trotz der Lichtschwäche hoben sich die Arme klar vom Hintergrund ab. Auch hier stellte sich das 9er Nagler als optimales Okular heraus. Die zunehmende Auskühlung ließ nun, nach knapp 5 Stunden Beobachtungszeit das berüchtigte "Wurschtigkeitsgefühl" aufkommen. Erst Recht, wenn man ganz allein beobachtet und sich nicht gegenseitig motivieren kann. Die Körperfunktionen stellen sich peu + peu auf das Überlebensnotwendige ein, und hierzu gehört nun Mal nicht Sterndlschaun. Doch ein Objekt wollte ich mir noch gönnen: M33, die Galaxie im Dreieck. Doch so sehr ich auch "oberhalb" von Alpha Trianguli herumstocherte und -rührte, sie wollte einfach nicht mehr ins Okular. Das unzureichende Beobachtungsgewand hatte nun endgültig seinen Tribut gefordert. Ein Blick auf das Thermometer schien das zu bestätigen: Bodenfrost! Gut ausgekühlt zwar, aber keineswegs müde, zufrieden, von keinem Rindvieh behelligt worden zu sein und doch ein bissl verärgert, nichts Wärmeres angezogen zu haben und diesmal einzig der Kälte wegen diese hervorragende Traumnacht vorzeitig beenden zu müssen, baute ich ab. Auf der Rückfahrt mußte ich übrigens erneut schlafende Kühe wecken...